Was bisher geschah
Zweiter Akt
Von Albert Holler
Von Albert Holler
Falkner blickte frühmorgens
aus dem Fenster seines kleinen Büros, diesmal schien die Zigarette zwischen den
Fingern seiner rechten Hand langsam zu verglimmen, ohne, dass er einen Zug von
ihr genommen hätte. Er fühlte das Brennen an seinen Fingerkuppen überhaupt
nicht, der Rauch zog seine Spur zum halb offenen Fenster. Er blickte auf den
kleinen Platz zwischen Gemeindeamt, Feuerwehrzentrale (ha, Zentrale, ein
einziges rotes Fahrzeug stand in der sonst verwaisten Garage!) und
Postbushaltestelle. Der einzige Lampion, der seine Energie tagsüber von einer
kleinen Solarzelle bekam, verglomm wie immer in den frühen Morgenstunden, der
Platz schien dadurch morgens dunkler, statt heller zu werden, außer im
Hochsommer, wenn die Sonne schon über den flachen Bergkuppen stand.
Er hasste diese saublöde Hupfburg, die in den letzten Jahren für das Rossfest genau vor dem Gendarmerieposten aufgestellt wurde. „Bleds Plastikglumpert!“ Entfuhr es ihm unwillkürlich. Na, nächstes Jahr wird’s da eh keinen Gendarmerieposten mehr geben, das wird auf Polizei umgemodelt, so will’s der neue Innenminister, der, na, wie heißt der noch, Strassl, oder so. Früher, in seinen Kindertagen, war zum Rossfest der Platz wirklich voller Pferde. Die Bauern brachten alle ihre aufgeputzten Lasttiere schon frühmorgens zum fröhlichen Stelldichein, als Kinder liefen sie zwischen den gutmütigen Gäulen hin und her und spielten abfangen.
Er hasste diese saublöde Hupfburg, die in den letzten Jahren für das Rossfest genau vor dem Gendarmerieposten aufgestellt wurde. „Bleds Plastikglumpert!“ Entfuhr es ihm unwillkürlich. Na, nächstes Jahr wird’s da eh keinen Gendarmerieposten mehr geben, das wird auf Polizei umgemodelt, so will’s der neue Innenminister, der, na, wie heißt der noch, Strassl, oder so. Früher, in seinen Kindertagen, war zum Rossfest der Platz wirklich voller Pferde. Die Bauern brachten alle ihre aufgeputzten Lasttiere schon frühmorgens zum fröhlichen Stelldichein, als Kinder liefen sie zwischen den gutmütigen Gäulen hin und her und spielten abfangen.
Abrupt drehte er sich um und blickte auf seine Gummistiefel, die verdreckt neben der Tür standen. Der Gestank der Kuhflade, in die er in der Finsternis am Waldrand draußen hinter der Wiese getreten war, erfüllte noch immer penetrant den ganzen Raum, trotz dessen intensiver Bekämpfung durch Zigarettenrauch. Die halbe Nacht war er da zwischen Wiese, Waldrand und Bauernhof hin und her geschlichen, mit einer kleinen LED-Lampe den Boden nach Spuren absuchend, die vielleicht den Kriminalern aus Wien entgangen waren. Schließlich war er am Waldrand auf dieser „deppaten“ Kuhflade ausgerutscht und fast zu Boden gestürzt. Instinktiv hatte sich an einem Stock festgehalten und bemerkte erst dadurch den Hochsitz, der zwischen zwei morschen Fichten einen Ausblick auf die weite Wiesenlandschaft zwischen Mischwald und Berghofen ermöglichte. Er war hinaufgeklettert, ohne genau zu wissen, was er suchte. Oben beleuchtete er vorsichtig das Sitzbrett, eigentlich hatte er Angst vor herausragenden Nägeln gehabt, aber er fand eine Schnapskarte, eine Pikass.
Die Karte war etwas vergilbt und an den Rändern zerfranst. Er holte ein Taschentuch aus seinem Hosensack und nahm die Spielkarte vorsichtig in seine Hand. Sein Instinkt sagte ihm: „Des schaust’ da oba genaua oh!“
In dem Augenblick schwirrte in seinem Kopf alles durcheinander. Wie seine Töchter noch klein waren und er ihnen die Schnapserregeln beibringen wollte, Fionas Tod, die verdammten Fotos von der Frauenleiche, die man in der Wiese, hier in der Nähe gefunden hatte. Die Wiese war einst im Besitz seines Vaters gestanden und, als er seinem Vater mitgeteilt hatte, dass er den Hof nicht übernehmen würde, sondern nach Wien auf die Gendarmerieschule gehen würde, hatte sein Vater gleich darauf die ganze Wiese, samt angrenzenden Wald seinem Nachbarn verkauft, dem Nachbarn, mit dessen Sohn Franz er dieselbe Schulbank in der Volksschule gedrückt hatte und den er dann aus den Augen verloren hatte. Es hieß, der sei irgendwo im Ostblock verschwunden. Ein Gerücht hatte sogar etwas von Wiener Bordellen, Mädchenschmuggel und ähnlichem gehandelt. Doch Falkner hatte diesen Geschichten nie geglaubt, er hatte den Franz für zu blöd für solche Sachen gehalten.
In dem Augenblick schwirrte in seinem Kopf alles durcheinander. Wie seine Töchter noch klein waren und er ihnen die Schnapserregeln beibringen wollte, Fionas Tod, die verdammten Fotos von der Frauenleiche, die man in der Wiese, hier in der Nähe gefunden hatte. Die Wiese war einst im Besitz seines Vaters gestanden und, als er seinem Vater mitgeteilt hatte, dass er den Hof nicht übernehmen würde, sondern nach Wien auf die Gendarmerieschule gehen würde, hatte sein Vater gleich darauf die ganze Wiese, samt angrenzenden Wald seinem Nachbarn verkauft, dem Nachbarn, mit dessen Sohn Franz er dieselbe Schulbank in der Volksschule gedrückt hatte und den er dann aus den Augen verloren hatte. Es hieß, der sei irgendwo im Ostblock verschwunden. Ein Gerücht hatte sogar etwas von Wiener Bordellen, Mädchenschmuggel und ähnlichem gehandelt. Doch Falkner hatte diesen Geschichten nie geglaubt, er hatte den Franz für zu blöd für solche Sachen gehalten.
Warum war die Frauenleiche genau auf der ehemaligen Wiese seines Vaters gefunden worden? Auf der nunmehrigen Wiese des Nachbarn seines hochbetagten Vaters, des Nachbarn, der heute noch derselbe war, wie damals? Ein Zufall? Und der Krickel? Der ihn provisorisch von den Ermittlungen suspendiert hatte? Was hatte sich der dabei gedacht? Falkner kniff die Augen zusammen und hustete trocken, wie so oft. Mit größtem Bedacht steckte er, die ins Taschentuch gehüllte Schnapskarte in seine Innentasche. Er plante auf eigene Faust, Fingerabrücke, Infrarot, Chemie und was sonst noch alles an der Karte untersuchen zu lassen. Er hatte da seine eigenen Kanäle in Wien und glaubte sich sicher irgend eine Spur an der Pikass zu entdecken, die ihn in der ganzen Sache weiter bringen konnte.
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