KAPITEL I - WOS LIEGT, DES PICKT - Dritter AKT

 Von Claudia Gologranc

Falkner nimmt Platz und lässt den Blick durch das Büro seines Vorgesetzten schweifen.
Die Sonne scheint kräftig in den hintern Teil des Wachzimmers. Im hellen Licht tanzt der Staub, der sich in den letzten Monaten im Haus angesammelt hat. Falkners Blick wandert weiter über den tadellos aufgeräumten Schreibtisch. Beim Gedanken, dass die Mutter vom Oberst auch das Büro vom Buben aufräumt, muss er leicht schmunzeln. Fünfunddreißig Jahre alt und noch immer wohnt er bei der Mutter  immer wieder wundert sich Falkner über diesen Fakt. Mutterkind ist er ja eigentlich keines. Weit gebracht hat ers in den letzten Jahren. Oberst Konstantin Krickel. Eine steile Karriere, wenn man so will. Gedankenverloren aber mit geschultem Auge lässt Falkner seinen Blick weiter wandern bis sein Blick erneut auf einem Gegenstand im Zimmer des Oberst hängen bleibt. Ein Foto in einem billigen Rahmen aus dem Baumarkt zeigt den Oberst mit seiner Deutschen Dogge im Garten des Hauses der Mutter. Es ist schon merkwürdig, dass der einzige persönliche Gegenstand in diesem Raum ein Tier zeigt.

Erst die jugendliche, aber zugleich kräftige Stimme des Oberst, lässt Falkner aus seinen Gedanken zurückkehren. Er kenne sie, die Tote, die draußen auf der Kuhweide gefunden wurde.

Wer is es?“, fragt Falkner leise. Seine Stimme klingt nicht so selbstsicher wie er wollte. Die Angst vor der unangenehmen Antwort schwingt in seiner Frage mit.

Der Oberst dreht sich schlagartig um. Trotz seiner besorgten Mine und der Autorität, die er mittels seines geschäftsmäßigen Anzuges und der dunkelblauen Krawatte auszudrücken versucht, sieht der Oberst aus wie ein verzogener Schuljunge. Trotz seines Alters wirkt er noch immer zu jung. Wie ein Bub. Noch immer grün hinter den Ohren.

Anstatt auf Falkners Frage zu antworten, lässt Krickel eine Akte über den Tisch gleiten. Falkner erkennt sofort, dass es sich beim Inhalt um den Bericht des Gerichtsmediziners und einige Tatort-Fotos handelt. Ein Foto hat sich aus der Akte gelöst und ragt nun zur Hälfte aus der Hülle heraus. Der Oberst muss die Frage gar nicht beantworten. Das Muttermal am Handgelenk des Opfers sagt dem Inspektor alles was er wissen muss.
Falkner spürt einen heißen Stich in seiner Brust und wie ihm der plötzliche Schmerz die Luft zum Atmen nimmt. Er unterdrückt ein Schluchzen, versucht sich aber im selben Moment wieder zu fassen. Der Oberst hatte Recht, er kennt die Tote.

Falkner, wenn i irgendwos für di tuan konn…“

Doch Falkner winkt ab. Zu tief sitzen der Schmerz und der Schock. Sein Blick fixiert noch immer das Muttermal am Handgelenk der Toten, während er sich zitternd eine Zigarette anzündet. Er kennt dieses Muttermal schon seit jeher, auch wenn er es schon lange Zeit nicht mehr gesehen hat.
Die tote Frau auf dem Foto ist seine Tochter.





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