Was bisher geschah
Sechster Akt
Von David Halbmayr
Die Dunkelheit legte sich über Berghofen, einzig allein der Mond stand helle am Firmament. Er war voll und blendend wie eh und je und die Schatten zogen langsam ihre Bahnen in der Tiefe der Nacht. Wie alle Jahre legte sich ganz Berghofen zur Ruhe, um Kraft für den folgenden Tag zu tanken. Nie war die Nacht so ruhig und der Tag so belebt wie bei dieser besonderen, ereignisreichen Veranstaltung, dem Rossfest. Keine Menschenseele plagte das Spiel der Finsternis mit ihren ominösen Gestalten. Ihr einziger Mitspieler war der Wind, wie er zärtlich und sanft durch die wenigen Bäume streicht und leises rascheln von sich gibt, im Tanz mit den Blättern, damit die Schatten sich bewegen wollen. Das Brennen der Laternen erzeugte zwielichtige Bilder an den leeren Straßen, Gärten und Häusern, an denen sie entlang erbaut wurden. Doch im Fenster eines Hauses konnte man noch ein weiteres Licht erspähen. Es war weder Weiß, wie das des Mondes, noch Gelb, wie das der Laternen. Es war Orange und es war keineswegs still. Pulsierend glimmt es in unregelmäßigen Abständen, unruhig im Lichtermeer der Dunkelheit.
Unruhig.
Genauso unruhig wie der Schlaf von Falkner,
der dort saß am Fenster und mit zitternder Hand, Zug um Zug, in den frühesten
Morgenstunden seine Zigarette rauchte. Schlaflos, Rastlos, Ruhelos. Es war
jedes Mal dasselbe, die Bilder zogen permanent am inneren Auge vorbei.
Fiona, der Wald, die Weide…
Fiona, der Hochstand, Pik Ass…
Fiona, das Grab, der Regen, die Tränen, Frida,
Pik Ass, Fiona, Pik Ass, Pik Ass, Pik Ass….
Er konnte den quälenden Traum nicht loswerden, der ihn im Schlaf
verfolgte. Kaum waren die Augen geschlossen, begann es von vorne, egal wie oft
er es auch versuchte. Er kämpfte dagegen an, mit aller Kraft die er zu dieser
Stunde noch aufbringen konnte, im Couchsessel am Fenster, mit Aschenbecher und
Zigaretten. Erst als sein Mund, durch einen Zug am Glimmstängel, sich mit einem
ekelhaften Geschmack füllt merkt er, dass der Filter bereits verkohlt war.
Langsam und gekonnt drückte er ihn in den übervollen Aschenbecher, ohne das
diesen ein Stummel verlässt.
Mit geröteten Augen, schwach und gereizt von der Müdigkeit und dem
stehendem Rauch im Zimmer, starrt er hinaus auf den Mond, von dessen Krater er
glaubt, dass sie sich in Form eines Piks anordnen. Immer schwerer wird es für
ihn munter zu bleiben. Der Geist ist willig, doch der Körper ist schwach und
mit seinen Streichen wird jede Minute, jedes Bild absurder. Doch ohne es zu
merken, schlitterte er wieder ins Träumeland.
Nun war er wieder dort, wo er sich der nächtlichen
Ausflüge des Öfteren hinbegab. Reihum standen die Leute, gekleidet grau in
grau, die Blumen grau, die Tränen grau. Alles grau. Das Prasseln des Regens auf
den Sarg und den Schirm, das stille Gemurmel der Leute und hier und da ein
kleines Wimmern, war alles was zu hören war. Falkner blickte um sich, doch er
konnte die Gesichter der Leute nicht erkennen. An dem Platz wo Frida hockte war
keiner und ihr Gesicht war nirgends in der Menge zu finden. Verwundert lenkte
er seinen Blick weiter umher, sehnsüchtig wartend darauf, dass das Pik Ass
dahergeflogen kam. Doch es kam nicht. Die Zeit schien stehenzubleiben und die
Geräusche wurden leiser. Falkner, noch immer suchend, merkte, dass der Regen
keinen Ton mehr von sich gab. Die Gesichter der Leute gafften ihn plötzlich an
und ihr wimmern um murmeln verstrich. Es wurde leise am Friedhof neben dem
Grab…
…wo seine Tochter Fiona begraben war.
Nur die Glocken der Kirche ertönten in einem
schrillen ungewöhnlichen Klang. Es dauerte ein wenig bis der Herr Inspektor es
realisierte, doch keine Kirchenglocke der Welt gibt so einen ungewöhnlichen Ton
von sich. Vielmehr noch wurde seine Aufmerksamkeit aber
von einem dumpfen Klopfen geweckt. Er drehte sich zum Loch…
…wo seine Tochter Fiona begraben war.
Abwechselnd ertönten
das schrille Läuten und das dumpfe Klopfen, doch nebenbei war noch ein weiterer
Laut zu hören. Wie ein Blitz durchfuhr ein Schreck seinen Körper als er den
Laut, das Wort hörte. Er konnte es immer öfter hören, zwischen den Glocken und
dem Klopfen. Beunruhigt versuchte er hinabzusteigen in das Grab, jedoch
ergriffen ihn die Hände der starrenden, umherstehenden Leute. Immer deutlicher
wurden das Wort und das Geklopfe, welches aus dem Sarg ertönte.
„Papa“, hörte er sie
rufen.
„Papa!“, hörte er sie schreien.
Dazwischen immer
wieder Geklingel und Geklopfe. Er kämpfte noch immer gegen das Zerren der Leute
und versuchte ihr zuzurufen.
„Fiona!“, ertönte es
aber nur in seinem Kopf. Kein Wort verließ je seinen Mund.
„Sie ist fort…“, flüsterten ihm die leisen Stimmen der Leute ins Ohr
„…und du auch bald!“ und schubsten ihn mit einem heftigen Ruck in Richtung
Grab.
Rudernd mit den Händen versuchte er sich noch
irgendwie im Gleichgewicht zu halten, jedoch vergebens. Er begann gen Sarg zu
fallen und kurz vor dem Aufprall wurde er mit großem Schrecken wach.
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