KAPITEL II - KNOPP DANEM IS A BEIM NOCHBOAN - SIEBTER AKT

Was bisher geschah 



Siebter Akt 
Von David Halbmayr

Gleißendes Licht strömte durch das Fenster auf den Couchsessel wo Falkner dasaß, schweißüberströmt und mit rasendem Puls. Seine geröteten Augen waren weit geöffnet, geschockt von den Bildern, welche sein Unterbewusstsein ihm einflößte. Paralysiert hockte er einen Moment nur da und fragte sich, ob er noch immer schlafe oder schon zurück in der Wirklichkeit angekommen war. Plötzlich war es wieder da, dass was ihm im Traum zu Ohren gekommen war. Schrill und Dumpf, immer abwechselnd. Schrill und Dumpf, läutete die Türklingel und Klopfte es an der Tür.
„Papa“, hörte er eine weibliche Stimme rufen „ jetzt moch endlich auf!“
Erschrocken fuhr er hoch vom Sessel und scharrte den Aschenbecher von der Lehne. Die Asche des Tabaks und die vielen Zigarettenstummel verteilten sich ungleichmäßig am Boden. Noch viel weiter verteilten sich im Zimmer die Scherben des gläsernen Gefäßes, dass mit heftigem Geklirre beim Aufprall zersprungen war. Mit vorsichtigen Schritten eilte er zur Eingangstür, gekleidet in einem schwarz-blau karierten Pyjama, welchen er zu Weihnachten von seiner Tochter geschenkt bekommen hatte. Den kaputten Aschenbecher ließ er im Schlafzimmer zurück. „Des ram i späda zaum.“, dachte er.
Hastig versuchte er das Vorhängeschloss zu entsperren, doch es dauerte ein wenig bis seine Benommenheit es zuließ. Als er dann endlich die Tür öffnete, sah er Frida da stehen vor dem Haus. Ihr blondes Haar war gepflegt und zusammengebunden und sie trug eine weiße Bluse und weiße Hosen, bereit um ihre Arbeit aufzunehmen. Doch die glitzernden Augen und das süße, verstohlene Lächeln, dass Falkner so gern sah, verblasste als sie ihm in die Augen blickte.
„Ois Guade zum… wie schaustn du aus Papa? Is eh ollas in Ordnung?“, sagte sie entsetzt mit einem kleinen  Kuchen in der Hand, welcher mit einer einzelnen Kerze verziert war. Sie hatte schon eine Weile gebrannt, da das Wachs schon an den Seiten hinunterlief. Unter dem anderen Arm klemmte ein kleines Päckchen, verpackt in schlicht goldenem Geschenkpapier, und in der Hand hielt Frida noch einen geflochtenen Korb, gefüllt mit den verschiedensten Lebensmitteln.
„Es geht schon Frida. I schlof ned so guad de letztn Tag.“
„Des dama olle Papa… ajo, ois Guade zum Geburtstog!“, sagte sie und versuchte dabei wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
„Danke, des is liab vo dir.“, antwortete er „Kum doch eina.“ Und öffnete die Tür.
„I kaun owa ned oi z’laung“, sagte sie beim Eintreten „ muas heid nu zu de Noarn.“
Er schloss die Tür hinter sich und geleitete seine Tochter in die Küche.
Die digitale Uhr an der Mikrowelle zeigte acht Uhr achtundfünfzig und die Spüle daneben beinhaltete einige verschmutzte Kaffeetassen. Frida stellte all ihre Mitbringsel neben der Spüle ab und wandte sich Falkner zu.
„Do, a Klanichkeit für di.“, sagte sie und streckte ihm das Päckchen entgegen „ und zur Feier des Toges hob i a weng wos zan Frühstücken mid.“
Falkner nahm zögerlich das Paket aus ihrer Hand und umarmte sie. „ Danke numoi, gfreid mi dasd wiedamoi vorbeischaust.“
„Jetzt schau amoi dasd munter wiast. I richt uns daweu wos zaum und dein Kaffee moch i ah.“
Und ehe es ausgesprochen war drehte sie sich um und begann auszupacken. Er schaute ihr noch kurz dabei zu wie sie den vollen Korb entleerte, aber begab sich dann flott ins Bad, um sich der morgendlichen Körperpflege zu widmen.
Als Falkner, frisch rasiert, geduscht und im Sonntagsgewand gekleidet, in die Küche trat, war der kleine Tisch reichlich gedeckt. Frisch geschnittenes Walnussbrot, ein paar Semmeln, Butter und Erdbeermarmelade, gekochte Eier, einige Tomaten und Paprika, Schinken und Käse sowie etwas Obst, Milch und Müsli zierten das beinahe überfüllte Küchentischchen. Etwas ganz wichtiges aber fehlte ihm. Frida stand noch dort wo seine Melitta auf der Arbeitsfläche platziert war, doch er hörte einige ihm unbekannte Laute. Klacken. Surren. Rattern. Es waren nicht die Geräusche die seine geliebte Melitta von sich gab. Klacken. Surren. Rattern.
„So, da Kaffee is ah fertig.“, sagte Frida und wandte sich Falkner zu. Sie hielt zwei Tassen in den Händen, gefüllt mit Falkners Lieblingsgesöff, Kaffee.
„Wo isn mei Melitta?“, sagte er entsetzt.
„Geh Papa, wieso hostn de neiche nu ned aufgstöd ghobt? Der Kaffee is vü bessa! Außerdem heds eh scho boid in Geist aufgebm.“
„Wo isn mei Melitta?“, wiederholte er wieder.
„In ana Schochtl im Vorraum. I heds midgnumma und entsorgt.“, antwortete sie ihm seufzend und stellte die beiden Tassen mit dem schwarzen Wasser am Küchentisch ab.
Falkner stürmte beinahe aus der Küche und entdeckte sofort die erwähnte Verpackung am Gang stehen. Er erstarrte bei ihrem Anblick, denn seine Gedanken spielten ihm schon wieder Streiche. Dort war sie, die Melitta, verpackt im Sarg, bereit für die letzte Reise, bevor ihr Zweck auf dieser Welt sich dem Ende zuneigt. So vieles haben sie zusammen erlebt. In guten, wie auch in schlechten Zeiten. Jeden Tag verwöhnte sie ihn mit ihrem sanften Geruch und ihren verspielten Tönen. Viele Jahre hatte sie ihn begleitet und war immer für ihn da. Bis sie verschwand und im Sarg wieder auftauchte. Die Melitta, wie auch seine Tochter Fiona. Diese beiden Ereignisse verwoben sich langsam in seinem Kopf und er konnte sie nun kaum trennen. Tränen kullerten langsam über seine Wangen und er kniete sich nieder vor der Schachtel, welche er so umarmte, als ob er sie niemals gehen lassen wollte.
„Heast Papa! Jez reiß die zaum, sunst muas i di midnehma ah nu!“, sagte Frida hinter ihm, mit erhöhter, verärgerter Stimme.
Falkner riss die Augen auf und erhob sich langsam vom Boden, wo er den Karton doch noch stehen ließ. Es dauerte ein wenig bis er realisierte wie lächerlich es ausgesehen haben musste. Weinend, am Parkett kniend, mit einer Schachtel eng umschlungen. Doch er sagte nichts. Keine Antwort erreichte Frida dort im Gang vor der Küche, aber sie konnte sehen, dass es ihm so schon peinlich genug war.
Still und stumm begaben sich beide zurück in die Küche an den Tisch und verzehrten genüsslich das schmackhafte Frühstück. Der Wortwechsel war karger geworden, doch es störte die beiden offensichtlich kaum.
„Da neiche Kaffee is wirklich ned schlecht.“, sagte Falkner schon etwas fröhlicher.
„Sog i jo.“, erwiderte Frida kurz.
Sie verbrachten noch etwas Zeit miteinander und Frida erzählte ihm ein paar Geschichten, die sich bei ihrer Arbeit im Irrenhaus so abspielten. Doch sie merkte schnell, dass sie ihres Vaters Aufmerksamkeit nur zur Hälfte auf sich zog. Als es dann zehn Uhr schlug, verabschiedete sie sich von ihm, um sich auf den Weg in die Psychiatrie zu machen. Eine kurze Umarmung mit den Worten „Schau doch heid aufs Rossfest, unter de Leid. Des duad da sicher moi guad wennst wieder aussikummst!“ und ihre Wege trennten sich. Falkner blickte ihr noch ein wenig hinterher, bis sie außer Sichtweite war und steckte sich alsbald eine Zigarette an. Wie jedes Mal wenn Frida zu Besuch war. Er wusste genau wie sehr sie das viele Rauchen hasste. Vor allem, weil es doch sehr viele Zigaretten waren, die er jeden Tag seiner Lunge fütterte. Nachdem er die halbe Zigarette geraucht hatte, begab er sich ins Schlafzimmer und schnappte sich am Weg noch das Päckchen, welches Frida ihm geschenkt hatte, gewickelt in goldenem Geschenkpapier. Er wog ab und schüttelte es kurz um den Inhalt eventuell zu erahnen, währenddessen aber lenkte ihn ein kurzer, stechender Schmerz von dieser Tätigkeit ab.
„Vadaummt!“, schrie er laut als er auf einen scharfen Glassplitter vom kaputten Aschenbecher getreten war. Er hatte es schon völlig vergessen. Am Boden verteilt lagen noch immer viele kleine Splitter und die Asche zierte den Fleck des Aufschlags. Besen und Schaufel hatte er schon bereitgestellt und mit einem gekonnten Wurf, schmiss er das Geschenk aufs Bett und machte sich an die Arbeit.
„Najo, daun schama hoid heid aufs Rossfest.“, dachte er beim präzisen Zusammenkehren im Schlafzimmer.



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