Vierter Akt
Von Andreas Pittler
Während die Stimmung im Festzelt jäh kippte, fragte sich Frida einmal mehr, warum sie sich diesen Job antat. Einer der Insassen der Anstalt fand es offenkundig überaus spaßig, Fridas weißen Kittel mit Obstbrei zu dekorieren. Und nach dem Essen musste sie mit ihren Schützlingen auch noch den wöchentlichen Ausflug absolvieren. Frida fürchtete sich bereits davor, mit welchen Katastrophen sie wieder konfrontiert sein würde. Zum Glück, dachte sie, gab es Thomas, diesen neuen Pfleger aus Wien, der mit dem Enthusiasmus des Neulings überaus engagiert an die Sachen heranging. Er hörte sich die absurdesten Geschichten der Patienten geduldig an und erklärte dann seelenruhig, niemand sei so verrückt, als dass er nicht einen noch Verrückteren finde, der ihn versteht. Eigentlich, so dachte Frida, war er auf seine merkwürdige Art sogar süß. Sie erinnerte sich noch gut daran, als er an seinem ersten Arbeitstag im Trachtenjanker und in Lederhose angetanzt war. Doch bald schon hatte sich gezeigt, dass Thomas auf seine Art ein Genie war. Er konnte mit dem Kochlöffel genauso gut umgehen wie mit Handwerkszeug. Er war witzig, charmant und zuvorkommend. Und erst diese Grübchen! Keiner im Ort konnte da mithalten, schon gar nicht dieser ewig sabbernde Franz, der ihr hinterhergierte, seit sie die Schulbank gedrückt hatte.
Wie aufs Stichwort kam Thomas den
Korridor entlang. Sein freundliches Lächeln machte Frida strahlen. "G´sund
schau ma aus", flötete er schon von Weitem, was Frida ein wenig ratlos
machte. "Na ja", erklärte er, kaum bei Frida angekommen, "Apfel,
Birne, … und das, das schaut aus wie Kiwi." Dabei deutete er auf die
diversen Flecken auf Fridas Mantel. Sie unterdrückte ein Kichern und gluckste
"da hamma den Nagel ja auf den Kopf getroffen". Thomas quittierte
Fridas Replik mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, wechselte dann aber flott
das Thema: "So, und jetzt gemma in den Wald, weil da ist´s nicht kalt."
Na ja, dachte Frida, an seinen poetischen Fähigkeiten müssen wir noch feilen.
Aber diese Grübchen!
"Wir könnten ja auf der Lichtung
drüben ein kleines Picknick machen. Mehr versauen können s´ deinen Mantel eh
nicht mehr, und ich bin mir sicher, ihnen tät´s g´fallen. Wär´ einmal was
anderes, als immer nur durch die Botanik zu hatschen."
Frida verschloss sich Thomas´
Argument nicht und beschränkte sich daher auf ein zustimmendes "Gute
Idee". Thomas meinte daraufhin, sie solle doch noch schnell ein paar
Früchte und etwas zum Trinken organisieren, während er eine große Decke hole,
auf der man es sich dann bequem machen könne. "Aber pass auf´", rief
ihm Frida nach, "im Abstellraum schaut´s aus wie in einem
Schweinestall."
Eine halbe Stunde später marschierte
Frida der Gruppe voran durch den Wald, immer auf die Lichtung zu. Von Zeit zu
Zeit hielt sie inne, um dem Rest Gelegenheit zu geben, wieder zu ihr
aufzuschließen. Ihr Blick ruhte auf Thomas, der seinen Schützlingen gerade den
Unterschied zwischen einem Hirschen und einem Reh zu erklären versuchte.
"Der Hirsch, der hod a Gweih, des Reh, des hod kans", brachte ein
Patient vor, was Thomas zu einem "Richtig" veranlasste. Anerkennend
klopfte er ihm auf die Schulter, bei welcher Gelegenheit ihm ein Haar auffiel,
das er dem Insassen vom Hemd zupfte. Thomas sah Frida an: "Heast, hamma a
Hundsviech in da Anstalt? Des is doch eindeutig a Hundehaar!" Dabei hielt
er das Haar demonstrativ in die Höhe. Frida musste lachen. "Du waaßt
genau, von wem des is. Ned von an Köter jedenfalls."
Thomas war ganz nah an sie
herangetreten, sah ihr tief in die Augen: "Du meinst, das war der Köder,
mit dem du mich anlocken wolltest?"
"Vielleicht",
entgegnete sie leichthin und wich seinem Blick aus. Es war zweckmäßig, die
Männer immer erst ein wenig zappeln zu lassen. Sie sollten sich ihrer Sache nie
zu sicher sein. Frida wandte sich um und wollte eben den Marsch fortsetzen, als
sie einen markerschütternden Schrei hörte. "Hast das g´hört", fuhr
sie herum. "Des klingt wie die Resl …"
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