Dritter Akt
Von Günther Pfeifer
Die Resl ärgerte sich gewaltig über ihre Buben. Die ganzen Ferien hindurch trieben sie nur Unfug und machten ihr noch mehr Arbeit als sonst. Dann brauchte man einmal etwas von ihnen - Einmal! - und sie schafften es nicht. Keine Pilze. Dafür eine verworrene Geschichte von zwei Männern, denen sie begegnet waren und die von einem dritten erzählt hatten, der angeblich mit dem Gewehr seinen Wald frei von Schwammerlsuchern halten wollte. Was für ein blühender Unsinn! Die Resl wusste, dass der Hochwild Horst gern mit der Flinte herumlief, aber dass er auf Schwammerlsucher schoss, das war noch nie vorgekommen. Wahrscheinlich hatten die Zwillinge keine Lust zu suchen gehabt, sich deshalb hinter der nächsten Hecke auf die faule Haut gelegt und waren nach fast zwei Stunden ohne Pilze, aber mit einer Raubersgeschichte zurückgekommen. Also musste sie selbst in den Wald. Wie wenn sie nicht schon genug zu tun gehabt hätte! Die Zeit rannte ihr davon, es war schon fast Elf, die Schwammerlsuppe musste bis zwölf Uhr fertig sein, denn pünktlich um Eins war der Wettbewerb und sie musste sich noch umziehen und den Topf bei der „Kommission“ abgeben. Wie bei jedem Rossfest war die Preisverkostung der Suppen ein fixer Bestandteil der Mittagsunterhaltung. Letztes Jahr hatte sie den zweiten Platz belegt, im Jahr davor war sie vierte geworden – heuer würde sie gewinnen.
Sie eilte durch den Wald, nervös wegen dem Wettbewerb und grantig wegen der Buben. Während ihre Augen den Boden absuchten, öffnete sie schon das weiße Stoffsackerl, als könnte jeden Moment eine Kompanie Eierschwammerl auftauchen und freiwillig hineinhüpfen. Dabei wären Eierschwammerl nur die zweite Wahl für Resl – worauf sie wirklich aus war, waren Steinpilze. Große feste Steinpilze.
Und tatsächlich, sie war noch keine fünf Minuten im dichteren Teil des Waldes, als sie den ersten fand. Drei Meter weiter noch einen! Fünf Meter weiter gleich zwei! Und gleich daneben noch einen kleinen Parasol und dann - fand sie Franz.
Beim Frühschoppen im Festzelt des Rossfestes ging es mittlerweile lustig zu. In den letzten Jahren war immer wieder diskutiert worden, ob man die Tradition aufweichen, und auch Westernelemte zulassen sollte. Stuntreiter, die als Cowboys und Indianer verkleidet am Nachmittag durch die Ortschaft reiten und am Sportplatz Schaukämpfe austragen sollten. Grundsätzlich eine gute Idee, die den Kindern gefallen, und sicher noch mehr Besucher angelockt hätte – man hatte sich aber dann doch dagegen entschieden. Dennoch ließ es sich der alte Pongratz nicht nehmen bei jedem Rossfestfrühschoppen im Cowboykostüm zu erscheinen und pünktlich um halb Zwölf der Blasmusik eine Runde Bier auszugeben, daraufhin dem Kapellmeister einen Federkopfschmuck aufzusetzen und dann seine Glanznummer zum Besten zu geben: Herman Leopoldis „Schnucki, ach Schnucki“. Der alte Pongratz hatte dreißig Jahre lang gemeinsam mit dem Kapellmeister das Duo „Die Rosstäuscher“ gebildet. Keine Hochzeit, kein G’schnas und kein runder Geburtstag, wo „Die Rosstäuscher“ nicht aufgespielt hätten. Die Zeiten hatten sich geändert und das Duo war mittlerweile Vergangenheit, aber wenn beim Rossfest, die Blasmusik den Frühschoppen unterbrach, Pause machte und ihr Bier trank, wenn der Kapellmeister zur Ziehharmonika griff, während „Cowboy“ Pongratz die Gitarre umschnallte, dann sprangen die Leute im Festzelt auf und drängten vor zur Bühne. So auch heute:
A Sioux-Indianer a gaunz a dicka Klaaner
sah eines Tages eine Squaff so jung und fesch er woar gaunz baff
er folgte ihrer Fährte, weil er sie so begehrte
bis in das nächste Jagdrevier dort sprach er dann zu ihr
Schnucki, ach Schnucki foahr ma noch Kentucky
in der Bar Old Shatterhand do spielt a Indianerband
daun in de Pampas auf a Flasch‘n Schampas
um holbe ochte geht da Zug, ich hab’ gesproch’n: Hugh !
Dann folgte das Akkordeonsolo des Kapellmeisters, wie immer mit Indianergeheul aufgepeppt, während sein Kopfschmuck bedenklich wackelte. Das Publikum wackelte mit. Pongratz sang die zweite Strophe und begann die Festzeltbesucher für den Refrain in Gruppen einzuteilen – die Männer sangen „Schnucki, ach Schnucki“, die Frauen antworteten mit „…foah ma noch Kentucky“ und so weiter. Es war ein Heidenspaß für alle Beteiligten und der alte Pongratz fühlte sich so wohl, wie schon lange nicht. Als die Nummer vorbei war, tobten die Leute. Sie applaudierten minutenlang und forderten lautstark eine Zugabe, oder wenigstens eine Wiederholung. Der Kapellmeister und Pongratz genossen die Stimmung und ihr Bier – aber genau in dieses Bier musste jemand etwas stärkeres gemischt haben, denn plötzlich sah Pongratz doppelt. Vor ihm auf der Bühne stand ein Bub. Und genau diesen Buben sah er doppelt. Es hätten ja theoretisch zwei Buben sein können, aber das wäre schon… sehr… seltsam gewesen, weil so gleich können zwei gar nicht aussehen, wie die zwei… also wie der eine, den er doppelt sah, also… Um es auf den Punkt zu bringen: Pongratz war verwirrt.
„Kennan S‘ wos übers Mikrophon sogn?“ fragte der Bub jetzt. Er sah nervös und ängstlich, um nicht zu sagen verstört aus.
„Bitte, es is dringend!“ sagte er noch, und jetzt wurde Pongratz klar, dass es tatsächlich zwei Buben waren.
„Wos woit’s denn übers Mikro ausrichten?“ fragte der Kapellmeister, der sich nicht über die Erscheinung gewundert hatte und die zwei scheinbar kannte.
„Kennt’s unsan Vota ausruaf‘n? De Mama is in Woid Schwammerl hoin gaungan und bis jetzt ned z’ruck. Mia haums g‘suacht und gruaf’n oba sie is ned zum finden…“
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