Was bisher geschah
Fünfter Akt
Von Yvonne Widler
Von Yvonne Widler
Franz starrt auf das blonde Haarbüschel,
das er immer noch in Händen trägt. Mittlerweile hat er sich schon weit weg von
dem Ort bewegt, an dem er sie liegen lassen musste. Er bleibt stehen und starrt
die goldig anmutenden dünnen Federn an. Das Blut, das noch auf seinen Händen
klebt, lässt das Haar nun leicht bräunlich erscheinen. „Ich trage Blut an
meinen Händen“, sagt er zu sich selbst in ungewohntem Hochdeutsch. Sein ganzer
Körper wird von einem Schüttelfrost heimgesucht, kälter als es ihm jemals
durchfahren ist. Er lässt das Haarbüschel zu Boden fallen, blickt ihm nach wie
der Wind es über die Felder davonträgt. Tränen kullern über seine Wangen, das
Zittern will kein Ende finden. Von allen Kräften verlassen, sinkt er in sich
zusammen, er kann kaum atmen. Als würde ein riesiger Felsbrocken geradewegs sein
Brustbein durchbohren und sein eiskaltes und doch so empfindliches Mörderherz
zerdrücken. Es schmerzt. Doch es musste sein.
Die Nacht bricht herein, gleich ist es
stockdunkel hier draußen. Ein Gewitter zieht auf. Völlig durchnässt schleppt er
sich über die kilometerlangen Felder Richtung Waldlichtung, die er gerade noch
erkennen kann. Es schüttet wie aus Kübeln, ab und zu donnert es. In der Ferne
sieht man wie Blitze den schwarzen Himmel immer wieder kurz erleuchten. Das verängstigte
Zittern wandelt sich schön langsam in ein Zittern ob der eisigen Kälte, die nun
über den Ort hereingebrochen ist. Franz ist nun an der Waldlichtung angekommen.
Er kramt in seiner linken Hosentasche, verzweifelt zieht er die Innentaschen
heraus. „Des gibt’s jo ned“, sagt er zu sich selbst. „Wo is’n nua?“ Nervös
durchsucht er nun die rechte Hosentasche, um erneut nichts zu finden. „Mist!“
Schon fast hoffnungslos, das gesuchte Stück wohl doch noch zu finden,
durchforstet er hektisch während des strömenden Regens die Innentaschen seiner
Jacke. Erleichterung durchfährt seinen Körper. Er zieht eine kleine silberne
Trillerpfeife hervor. Er setzt sie an seinem Mund an und bläst drei Mal kurz
hinein. Dann macht er Pause und bläst erneut drei Mal kurz hinein. Dann wartet
er. Kaum eine Minute später ertönt das gleiche Signal aus dem Wald. Er folgt
dem Ton.
„Du host da oba Zeit g‘lossn“, fährt ihn
die Stimme an, die unter einer schwarzen Siloplane im Wald versteckt ist, um
sich vor dem Regen zu schützen.
„Es tuat ma lad, oba es woa so….“
„Wos is denn
los, fongst jetz o zum Rean oda wos?“
„Na eh ned.
I hea scho auf.“
“Wiad guat sei.
Host ollas nach Plan erledigt?
„Jo, oba es woa so schwa, i hätt fost…“
„I hob da eh
gsogt, wosd mochn soist. Denk on an Spafeakl, wonnst das ostichst, de Sau.“
„Warum muasst du imma so oag sei? Mir
reichts boid amoi. Red ned so üba sie, des hots ned vadient.“
„Sicher hots des vadient. I hoff, sie hot
gscheid Schmerzn ghobt.“
Franz schüttelt den Kopf und setzt sich zu
der Stimme unter die Plane, starrt in den Wald und den strömenden Regen und
schweigt. Die Stimme reicht ihm eine Dose Bier. „Do, trink des und entsponn di.
Jetzt is ollas vuabei.“
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